Die innere Einstellung zu dem, was wir tun, ist essentiell für den Erfolg in jeglichem Lebensbereich — so auch beim Klavierspielen.
Herausforderungen erscheinen uns oftmals deswegen so schwer, weil uns nicht bewusst ist, dass die Quelle der Probleme nicht in äußeren Schwierigkeiten liegt, die überwunden werden und gegen die wir „ankämpfen” müssen, sondern in unseren inneren Widerständen, die verhindern, dass wir unsere Ziele erreichen.
Uns wird zwar beigebracht, dass wir für unsere Ziele „kämpfen” müssen, dass wir „dranbleiben“ müssen, unsere „Zähne zusammen beißen“ – doch sollte das nicht zu einem unreflektierten Prinzip werden, dass wir immer und auf alles anwenden.
Manchmal ist es im Gegenteil angebracht innezuhalten, loszulassen. Oft ist das sogar die unverhoffte Lösung eines Problems, eine Seitentür, die sich öffnet, wo wir vorher mit dem Kopf durch die Wand wollten.
Zweifel sind gut
Blockaden, Zweifel und eine generelle Unlust beim Klavierspielen, sind ein Zeichen dafür, dass Du Dir über Deinen Weg nicht im Klaren bist – über seine Richtung und über Deine Motivation. Und deshalb quasi blind gegen die Wand läufst.
In diesem Sinne sind Phasen, in denen wir an uns selbst zweifeln eine Chance.
Musik braucht Deine volle Aufmerksamkeit
In der Musik geht es darum, das, was in den Noten chiffriert ist, wieder zum Leben zu erwecken:
Das wiederum ist unmöglich, wenn man gerade mit Grübeln beschäftigt ist oder deprimiert ist. Deine Hände spielen vielleicht, aber Dein Kopf ist woanders. Nicht nur, wirst Du auf diese Weise nur sehr langsam voran kommen — das Ergebnis wird auch ziemlich bescheiden sein. Denn, wie gesagt:
Musik entsteht als Klang-Ereignis zwischen den Tonhöhen: als Klangbeziehung, rhythmische Spannung, als harmonische Zielstrebigkeit.
Der Musikpädagoge Heinrich Jacoby brachte es einmal wie folgt auf den Punkt:
Die hörbaren Klänge sind nur (…) der Ausdrucks-Träger, das ‚Gehäuse‘, (…) durch welche sich das eigentlich Musikalische, die Wirkung der jeweiligen Klangzusammenhänge, manifestiert und entfaltet.
Du musst diese Spannung fühlen und sie für die Zuhörer neu erzeugen, dafür musst Du Dich hunderprozentig auf die Musik einlassen. Das kannst Du nur, wenn Dein Kopf leer ist, wenn Du nicht zweifelst, nicht grübelst und voll Selbstvertrauen bist. Kurzum: Wenn Du in Deinem Tun aufgehst. Ist das nicht der Fall, dann bist Du vielmehr Handwerker als Musiker — und fühlst sich leider auch so.
3 Schritte zur Klarheit
Wenn Du wieder mit Deiner vollen Aufmerksamkeit Musik machen willst, aber das Vertrauen in Dich und Deine Fähigkeiten verloren hast, dann können Dir diese drei Schritte wahrscheinlich helfen:
Schritt 1
Zuerst einmal geht es darum, zu erkennen, dass unsere Bedenken und Zweifel beim Klavierspielen sich meist auf die technische Komponente beziehen.
Technik nimmt beim Klavierspielen leider unverhältnismäßig viel Platz in unserem Kopf ein. Wir vergessen bei all dem Kampf um eine gute Technik oft, worum es eigentlich geht: um Musik.
Natürlich ist eine saubere Technik wichtig. Wir hören einem Redner auch lieber zu, wenn er nicht stottert, nuschelt und sich verhaspelt, sondern seine Gedanken klar und deutlich ausdrückt. Aber:
Eine gute Technik allein macht aus Dir noch keinen guten Musiker.
Kannst Du eine Stelle technisch nicht bewältigen, dann nimm das gelassen zur Kenntnis, analysiere die problematischen Stellen und arbeite einen Plan aus wie Du die Probleme Schritt für Schritt lösen kannst.
Schritt 2
In diesem Sinne kommen wir zum zweiten Punkt: die Zweifel an Deine musikalischen Fähigkeiten aus dem Weg zu räumen. Das geht ganz einfach:
Soll heißen: Wenn Du aus dem Fenster schaust und siehst, dass es regnet, dann hast Du daran keinen Zweifel. Du sagst: „es regnet“. Wenn Du den musikalischen Gehalt eines Stückes erfasst hast, dann sollte es auch keine Zweifel geben.
Wenn es noch nicht so klingt, wie Du es innerlich hörst, dann kann das einige Gründe haben, die aber leicht zu beheben sind.
Schritt 3
Zuletzt denke immer daran, dass Deine Technik umso besser wird, je detaillierter und genauer Deine Vorstellung von dem Stück ist, das Bild, das Du von der Musik hast. Stell Dir einen Keramikmaler vor, der auf ein Werkstück Bilder und Figuren malt. Seine Gedanken müssen durch den Pinsel auf das Werkstück gleiten, um dort zum Ausdruck zu kommen. Ein Klavierspieler macht zwar größere Bewegungen – das Ziel aber bleibt das gleiche: Die kleinste Bewegung der Finger muss ihre Impulse direkt aus Deinem Kopf bekommen, initiiert von dem Bild, das Du von der Musik hast.
Wie ein elektrischer Strom fließt der Impuls durch Schultern, Arme, Hände und Finger, endet in den Fingerspitzen, nimmt hier Kontakt mit den Tasten auf und schließt sich beim Berühren der beiden im Ton.
Ich hoffe, diese Tipps können Dir helfen, wieder positiver und mit mehr Selbstbewusstsein an das Üben und Klavierspielen heranzugehen!
Wenn ja, dann freue ich mich über Deinen kleinen Erfahrungsbericht — wenn nein, dann teile mir mit, was Dir zu schaffen macht und welche Punkte noch erwähnt werden könnten!
Oder hast Du vielleicht selbst eine Taktik entwickelt, mit inneren Widerständen und Selbstzweifeln umzugehen?
Ich freue mich auf Deine Tipps! 🙂