Üben macht richtig Spaß, wenn man es nicht nur als notwendiges Übel betrachtet, um zum Ziel zu gelangen. Sondern es als wunderbare Möglichkeit sieht, sich selbst sowie jeden Zentimeter des Stücks richtig kennenzulernen.
Ist eine Stelle unklar und will einfach nicht klappen, dann ist das die Gelegenheit, sich kreativ auszutoben.
Es geht nicht mehr darum die Stelle zu können — sondern darum, welche Lösungen man für das Problem gefunden hat und für welche man sich entscheidet. Üben besteht genau betrachtet aus drei Schritten:
- Das Problem lokalisieren
- Lösungen dafür finden
- Die Lösung verankern
Punkt 1
Den Stolperstein identifizieren
Der erste Punkt ist einfach: man stolpert immer an derselben Stelle oder wird immer an derselben Stelle schneller oder langsamer. Das ist der Stolperstein.
Wenn das Hauptziel des Übens darin besteht, es fehlerlos durchspielen zu können, dann ist die Methode, die man wählt, für gewöhnlich das Stück oder den Abschnitt immer wieder durchzuspielen, in der Hoffnung, es beim nächsten Mal fehlerfrei hinzukriegen.
Aber kann man etwas richtig machen, wenn man gar nicht weiß, was man falsch gemacht hat?
Darum sollte man sich folgende Fragen stellen, um die Ursache des Stolperns ausfindig zu machen:
- Ist die Tonfolge unklar?
- Ist die Stelle rhythmisch unklar?
- Handelt es sich um eine technische Fertigkeit, die man nicht beherrscht?
- Ist der Fingerwechsel das Problem?
- Verursacht der Übergang das Stolpern?
- usw.
Nachdem diese Fragen geklärt sind, kann man sich daran machen, den Fehler aktiv und bewusst zu beheben.
Alles andere würde die Spur im Gehirn, die der Fehler hinterlassen hat, nur vertiefen. Lies mehr zum Thema Fehler – wie man sie vermeidet und mit ihnen umgeht, wenn sie doch mal passieren.
Punkt 2
Experimentieren
Wie behebt man einen Fehler aktiv und bewusst?
Man sollte auf jeden Fall kreativ werden: ausprobieren, abwägen, verwerfen und kombinieren. Denn:
Eine Stelle x‑wieviele Male zu wiederholen ist zwar die einfachste, aber auch die langweiligste und unproduktivste Form des Übens.
Darum lautet eine der Hauptregeln, die man beherzigen sollte, wenn man effizient und effektiv Klavier üben möchte:
Intelligentes Üben verlangt nämlich deine vollständige Aufmerksamkeit. So einfach ist das. 😀
Wie übt man „intelligent”?
Darum geht es beim zweiten Punkt: man schafft sich absichtlich „Stolpersteine”, die die bewusste Aufmerksamkeit immer wieder aufrecht erhalten. Die Betonung liegt auf „absichtlich”, also bewusst.
Spielt man nämlich dieselbe Stelle mehrmals ohne Abwandlung, ist es normal, dass spätestens bei der 3. Wiederholung die Gedanken auf Wanderschaft gehen.
Statt also die Stelle 6 Mal auf gut Glück zu spielen und dabei 5 Fehler zu machen (wie das bei unbewussten Stolpersteinen der Fall ist), spielt man sie 3 bis 8 Mal richtig, aber jedes Mal abgewandelt und mit hundert prozentiger Aufmerksamkeit. Zum Beispiel mit:
Es geht darum, in die Musik einzutauchen.
Wie verändert sich die Stelle, wenn man sie anders interpretiert?
Wie verändert sich dadurch das Gesamtbild des Stückes?
Das findet man am besten heraus, wenn man experimentiert. So findet man spielerisch heraus, warum der Komponist eine Stelle gerade so notiert hat und nicht anders, warum eine Note oder ein Akzent da steht, wo er steht usw. Wenn man das weiß, ist es schwer, eine bestimmte Note noch falsch oder unmusikalisch zu spielen.
Mit dieser Methode erhält das Stück außerdem Schritt für Schritt mehr Konturen und Farbe und erhält eine klare musikalische Vorstellung von dem Stück. Erst danach empfiehlt es sich anzufangen an seiner spezifischen Interpretation des Stückes zu arbeiten.
Lässt man diesen Schritt weg und spielt das Stück nur mehrfach durch, bis eben keine Fehler mehr vorkommen, ist das Ergebnis meist nur das: fehlerlos.
Man hat sich selbst der Musik beraubt: Man ist nicht eingetaucht in das Werk, hat den Komponisten nicht verstanden, seine Komposition nicht geistig und künstlerisch nachvollzogen und entsprechend trocken und mechanisch ist auch oft das Ergebnis solchen Übens.
Punkt 3
Das Ergebnis sichern
Zuletzt wollen wir das Ergebnis sichern.
Nachdem man eine Lösung gefunden hat, prägt man sich den neuen Bewegungsablauf ein und verwirrt das Gehirn nicht mit weiteren Änderungen während des Speichervorgangs.
Und schon wird aus einem mechanischen Einfuchsen einer aus Ungeduld herbeigezogenen Notlösung [das Stück x Mal wiederholen] – ein fantasievolles Verankern einer für gut befundenen Lösung [sich kreative Übemethoden ausdenken und die beste 3 – 8 Mal wiederholen].1 Francis Schneider, Klavierpädagoge
Wie effektiv diese Methode ist, zeigen sicher auch deine Erfahrungen mit alten Stücken. Wenn man sie wieder rauskramt, klappen die schweren Stellen meist noch sehr gut, während die einfachen etwas eingerostet sind.
Der Grund dafür ist einfach: man hat den schweren Stellen viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet, während man die einfachen vom Blatt gespielt hat.
Es wurde, wenn man so will, für die schweren Stellen eine Karteikarte im Gedächtnis erstellt, während die einfachen Stellen das Arbeitsgedächtnis ohne Spuren zu hinterlassen verlassen haben.2
Jetzt bist du dran!
Wie sind deine Erfahrungen mit dem Klavier üben? Welche Methoden hast du schon ausprobiert und wie sehr haben sie dir geholfen?
Wenn du unseren Tipp ausprobiert hast, dann schreib unten in die Kommentare, ob und wie sich dein Klavierspiel verbessert hat!
Wir freuen uns auf deinen Kommentar! 🙂
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