Ein kleiner, aber feiner Unterschied
Stell’ dir vor:
Zwei Schüler spielen dasselbe Stück.
Beide spielen es fehlerfrei und beide mit „Gefühl”.
Während man dem ersten Schüler zuhört, lehnt man sich zurück und lässt sich von der Musik tragen.
Während des Klavierspiels des zweiten Schülers kann man sich jedoch nicht so recht konzentrieren oder ertappt sich sogar dabei, wie man sich aufrechter hinsetzt und „hofft”, dass er es „schafft”.
Obwohl der Vortrag des zweiten Schülers fehlerlos ist, entsteht der Eindruck, dass er irgendwie „unsicher” ist.
Woran kann das liegen?
Bei ausgebildeten Pianisten könnte man sehr viele Punkte aufzählen. Bei Schülern ist es etwas transparenter. Hier könnte die Nervosität eine Rolle spielen, das Selbstbewusstsein, die Einstudierungszeit, ob das Stück neu ist oder schon länger im Repertoire usw.
Doch die Variable mit der größten Auswirkung auf die Performance, die alle anderen Aspekte in den Hintergrund treten lässt, ist der Rhythmus.
Der Rhythmus.
Der erste Spieler hat das Stück von Anfang an mit Metronom geübt, alle rhythmischen Feinheiten bewusst wahrgenommen und verstanden, während der zweite Spieler beispielsweise bei schweren Stellen etwas langsamer wurde und bei einfacheren dazu neigte zu beschleunigen. Er spielte ungerade.
Beeindrucken oder Mitreißen
Viele Schüler denken, wenn sie nur richtig schnell spielen oder „irgendwie” Hauptsache ohne Fehler, dann nehmen sie die Zuhörer automatisch für sich ein und beeindrucken alle.
Das mag sogar zutreffend sein.
Beeindrucken ist das eine, das Ziel eines Musikers sollte es jedoch immer sein,
Man würde beim Tanzen ja auch nicht nur die choreographierten Bewegungen kopieren und es mit dem Rhythmus nicht so genau nehmen. Egal wie viel Körperspannung, Ausdruck und Anmut ein Tänzer hat — man nimmt ihm den Tanz nicht ab und kann sich beim Zusehen nicht darin verlieren und staunen, wenn der Tänzer nicht punktgenau im Takt tanzt.
Ein anderes Beispiel wäre das Sprechen oder Vorlesen. Man kann jemandem nicht sehr lange zuhören und den Worten und Geschichten lauschen, wenn der Sprecher „holprig” spricht oder beim Lesen Kommas, Semikolons, Denkpausen und Punkte ignoriert — egal wie engagiert und voller Hingabe er etwas vorträgt.
Bei der Musik ist Rhythmus bzw. das genaue Aushalten von langen und kurzen Tondauern, nicht nur das Gefühl für, sondern auch die genaue Umsetzung von Perioden und „Sinnabschnitten” essenziell.
Dass man ein Stück schnell spielen kann ist zwar schön und gut — aber „Machbarkeit” ist nun einmal kein ästhetisches Kriterium.
Die Zuschauer bewundern dann vielleicht das technische Können, nicht aber die Fähigkeit „Musik” aus dem gegenwärtigen Moment heraus zu erzeugen. Die Musik gerät dabei manchmal sogar völlig in den Hintergrund. Das ist vor allem dann ziemlich schade, wenn man monatelang an dem Stück gerabeitet hat.
Schneller ist nicht immer besser.
Man kann die Zuhörer auch dann mitreißen, wenn man ein schnelles Stück etwas langsamer spielt — dafür aber sauber und präzise:
„Wie schnell Schnabel auch immer spielte, die Musik kam ihm langsam vor, weil er in großen Einheiten dachte;„1
überhaupt empfahl er bei schnellen Passagen immer:
„Langsam spielen, schnell klingen” -
ein psychologischer Trick mit erstaunlicher Wirkung.
Der Geheimtipp: Das Üben mit Metronom
Wenn man Musik nach Metronom spielt, dann klingt es steif und nicht lebendig.
Diese Meinung höre ich leider viel zu häufig. Zum Teil stimmt es auch.
Und das Ziel ist auch keineswegs metronom-genau zu spielen. Übt man aber immer ohne Metronom, vor allem am Anfang, dann
- Hat man oft gar kein oder ein falsches Bild von dem Stück.
- Spielt man ungerade - man beschleunigt oder verlangsamt unbewusst hier und dort.
- Die Musik „fließt” nicht, die Bewegungen sind nicht akkurat, sondern schwammig.
- Es dauert viel länger ein Stück zu lernen — weil man kein klares Bild von dem Stück hat und die Bewegungen entsprechend vage sind.
Das Haus steht auf einem wackeligen Fundament.
Das Fundament muss sitzen
Ein solides Fundament ist das A und O — auch in der Musik. Darum solltest du dein Spiel regelmäßig mit dem Metronom kontrollieren.
Nur so ist sichergestellt, dass du wirklich das Tempo beherrschst und alle Verzögerungen und Beschleunigungen gewollt sind (man spricht in diesem Zusammenhang von „agogischen Freiheiten”) — und nicht etwa Temposchwankungen sind, die dadurch entstehen, dass man das Stück eben ungenau und unsauber eingeübt hat.
Und jetzt Du
Übst du auch mit Metronom oder hast du das bisher nicht so wichtig genommen?
Wenn du unseren Tipp ausprobiert hast, dann schreib’ unten in die Kommentare, welche Wirkung es auf dein Spiel hatte!
(Du kannst dich beim Spielen auch mal aufnehmen — dann hört man die Unterschiede noch viel genauer!)
Ein Kommentar