5 Tipps gegen schlechte Angewohnheiten beim Klavierspielen

5 Tipps gegen schlechte Angewohnheiten beim Klavier spielen | PianoTube

So wie man übt — so spielt man

Dein Kön­nen hängt von dei­nen Übe­ge­wohn­hei­ten hab. Das ist die gol­de­ne Regel des Kla­vier­spiels. Übefeh­ler in jeg­li­cher Form — wer­den zu schlech­ten Gewohn­hei­ten. Dar­um sind schlech­te Ange­wohn­hei­ten beim Üben der größ­te „Feind” eines jeden Pia­nis­ten und Musi­kers. Ob beim Aus­wen­dig­ler­nen, Impro­vi­sie­ren oder der Kla­vier­tech­nik… über­all ste­hen einem vor allem schlech­te Ange­wohn­hei­ten im Weg.

Die meis­ten sind dar­in begrün­det, dass wir gewohnt sind, sehr ziel­fi­xiert zu üben. Wir wol­len so schnell wie mög­lich die­ses Stück spie­len kön­nen. Also setz­ten wir uns ans Kla­vier und spie­len los.

Dabei sit­zen wir dem Denk­feh­ler auf, dass wir, wenn wir uns beson­ders beei­len und so vie­le Wie­der­ho­lun­gen wie mög­lich machen auch beson­ders schnell ans Ziel kommen. 

Die Ziel­fi­xiert­heit äußert sich beson­ders stark, wenn eine Stel­le nicht klappt, z.B. ein Lauf oder ein Sprung. So schnell wir kön­nen spie­len wir die­se Stel­le mehr­mals hin­ter­ein­an­der — in der Hoff­nung, dass es beim nächs­ten Mal plötz­lich klappt — ein­fach so.

Wie wir das Ziel errei­chen, wo die Stol­per­stei­ne sind und wie man die­se am effek­tivs­ten besei­tigt sind also meist nicht Teil unse­rer Überlegungen.

Manch­mal, wenn es gar nicht geht, dann gibt uns unser Kla­vier­leh­rer spe­zi­el­le Etü­den, damit die Fin­ger nicht so plan­los durch die Gegend lau­fen. Also wer­den sie raus­ge­kramt, ein Blick auf die Uhr — man möch­te sich beson­ders lan­ge quä­len, um sich spä­ter auf die Schul­ter klop­fen zu kön­nen — und dann wird in der sel­ben (ziel­fi­xier­ten) Manier die Etü­de x Mal rauf und run­ter gespielt. 

Klingt das nach einem guten und erfolg­ver­spre­chen­den Kon­zept? Ist das eine gute Her­an­ge­hens­wei­se, um Pro­ble­me zu lösen? 

Wie ich schon in Arti­kel Kla­vier­tech­nik — Wege zu einer natür­li­chen Spiel­wei­se geschrie­ben habe, kommt wohl jeder Kla­vier­pie­ler irgend­wann ein­mal an den Punkt, wo mit die­ser Übeme­tho­de ein­fach kei­ne Fort­schrit­te mehr zu erzie­len sind.

Der Pia­nist Andor Fol­des hat fest­ge­stellt, dass ein Pia­nist bei einem Kon­zert von 80 Minu­ten ca. 100.000 ver­schie­de­ne Bewe­gun­gen aus­führt — und das alles mit den Hän­den! Das macht deut­lich, dass der wich­tigs­te Bestand­teil beim Kla­vier­spie­len die Koor­di­na­ti­on der ver­schie­de­nen Köper­be­we­gun­gen, ja im Grun­de der Gesamt-Koordination des Kör­pers ist.1

Zusätz­lich muss man sich bewusst machen, dass alles ande­re, was man wäh­rend des Übens am Kla­vier macht, jedes noch so klei­ne Detail (von der Atmung, über das Sit­zen bis hin zur all­ge­mei­nen Stim­mung), im Gehirn ver­an­kert wird. 

Wenn wir uns das nächs­te Mal ans Kla­vier set­zen wird das gespei­cher­te Pro­gramm gela­den — inklu­si­ve des Kon­tex­tes der letz­ten Übe­sit­zung (d.h. jede mus­ku­lä­re Anspan­nung, jeder Feh­ler, jede Anstren­gung, jedes Zusam­men­zu­cken, usw.).

Übt man ziel­fi­xiert — übt man unauf­merk­sam. Stel­len, die nicht klap­pen wer­den nicht als Pro­blem erkannt, das es auf mög­lichst effi­zi­en­te und effek­ti­ve Wei­se zu lösen gilt, son­dern man ver­sucht nur sie schnell „hin­ter sich zu bringen”. 

Das ist zum einen sehr schlecht für das Gedächt­nis — das Gehirn merkt sich nur rele­van­te Din­ge, sol­che, auf die wir uns voll kon­zen­trie­ren (meis­tens sol­che, die uns begeis­tern und uns des­we­gen alles um uns her­um ver­ges­sen las­sen).2

Wenn wir Fin­ger­übun­gen machen oder eine Stel­le zum hun­derts­ten Mal spie­len ohne uns auf eine bestimm­te Auf­ga­be zu fokus­sie­ren, pas­siert nur eins: unser Gehirn lang­weilt sich, ist im Standby-Modus oder wir sind geis­tig größ­ten­teils kom­plett abwesend. 

Zum ande­ren muss man sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass Üben nichts ande­res ist, als Gewohn­hei­ten zu kul­ti­vie­ren. Alles, was wir wie­der­holt tun, wird zur Gewohnheit. 

Das bedeu­tet, dass z.B. für bestimm­te, häu­fig wie­der­hol­te Bewe­gungs­ab­läu­fe (inkl. Kon­text) im Gehirn Auto­bah­nen und Schnell­stra­ßen ange­legt wer­den — da sie offen­sicht­lich für uns sehr rele­vant sind und dar­um schnell ver­füg­bar bzw. „pas­sier­bar” sein müssen. 

Wir bestim­men, ob die Auto­bah­nen uns gera­de­wegs zum ange­streb­ten Ziel füh­ren — ein Stück mühe­los spie­len — oder ob sie uns immer am Ziel vor­bei füh­ren.

Wenn du beim Kla­vier­spie­len nur wenig Fort­schrit­te machst, dann über­wie­gen bei dir wahr­schein­lich die schlech­ten Ange­wohn­hei­ten. Sie sind wie Stei­ne in dei­nem Weg und sabo­tie­ren dei­ne Arbeit.

Beispiele für schlechte Gewohnheiten beim Üben

Beispiel 1

Pro­blem: Ton­lei­ter von d bis d” (D‑Dur-Tonleiter) im pia­nis­si­mo begin­nend, anschwel­lend und wie­der abschwel­lend im Stück X klappt nicht.

Gän­gi­ge Übeme­tho­de: Die Ton­lei­ter D‑Dur mehr­mals sehr laut, schnell, mit hoch­ge­ho­be­nen Fin­gern und unrhyth­misch (natür­lich unab­sicht­lich) spielen. 

Denk­feh­ler: 1. Um eine Ton­lei­ter gleich­mä­ßig spie­len zu kön­nen, braucht man kräf­ti­ge, prä­zi­se Finger.
2. Um kräf­ti­ge Fin­ger zu bekom­men, muss man immer sehr laut spielen.
3. Um prä­zi­se Fin­ger zu bekom­men, muss man die Fin­ger sehr hochheben. 

Nach­teil die­ser Metho­de: Haben wir die Ton­lei­ter z.B. immer nur laut, schnell und unrhyth­misch geübt, haben wir die Fin­ger „falsch pro­gram­miert”: zu vie­le unnö­ti­ge Mus­keln sind betei­ligt, star­ke neu­ro­mus­ku­lä­re Mus­ter wur­den geprägt, wel­che unse­ren Fin­gern die Fle­xi­bi­li­tät nehmen. 

Mit ande­ren Wor­ten: wir haben unse­ren Fin­gern bei­gebracht, mit so viel Kraft wie mög­lich — statt mit gera­de so viel wie nötig und so wenig wie mög­lich — zu spielen. 

Und was die spe­zi­el­le Stel­le im Stück angeht — so sind wir immer noch weit davon ent­fernt, sie so zu spie­len, wie sie notiert ist: näm­lich im pia­nis­si­mo begin­nend, anschwel­lend und wie­der abschwel­lend. Um das zu rea­li­sie­ren, braucht man näm­lich sehr fle­xi­ble, anpas­sungs­fä­hi­ge Fin­ger und eine durch­läs­si­ge Hand. 

Wol­len wir am Ende das Stück „musi­ka­lisch” vor­spie­len, pas­siert Fol­gen­des: wir ver­su­chen gleich­sam ein zwei­tes Mus­ter (dyna­misch fle­xi­bel, gleich­mä­ßig) über das alte Mus­ter (laut, fest und unrhyth­misch) zu stülpen. 

Das heißt, wir wol­len die Ton­lei­ter am Ende ganz anders spie­len, als wir sie geübt haben.

Das nimmt ent­spre­chend genau­so viel Übe­zeit in Anspruch wie man in die Ton­lei­ter­übung bereits inves­tiert hat und das Ergeb­nis wird unter Umstän­den immer noch nicht befrie­di­gend sein.

Beispiel 2

Pro­blem: Wir machen an einer Stel­le immer die­sel­ben Feh­ler in der linken/rechten Hand.

Gän­gi­ge Übeme­tho­de: Die Stel­le immer wie­der durch­spie­len — mit bei­den Hän­den, schnell, ohne Metronom.

Denk­feh­ler: Je öfter man „ver­sucht” beim Durch­spie­len kei­ne Feh­ler zu machen, umso wahr­schein­li­cher ist es, dass es „irgend­wann” klappt. 

Nach­teil die­ser Metho­de: Wenn man immer nur schnell und mit bei­den Hän­den zusam­men übt — bevor man jede Hand ein­zeln sau­ber beherrscht — macht man häu­fig „Flüch­tig­keits­feh­ler” über die man hinwegspielt. 

Die­se Metho­de ist sehr inef­fi­zi­ent, da man das genaue Pro­blem nicht loka­li­siert hat (z.B. die Ver­bun­dung zwei­er Töne, unkla­rer Rhyth­mus in der linken/rechten Hand, etc.) und es so auch nicht lösen kann.

Das Ergeb­nis sol­chen Übens ist das­sel­be wie im ers­ten Bei­spiel: man prägt star­ke, aber lei­der feh­ler­haf­te (neu­ro­mus­ku­lä­re) Mus­ter, die mit jeder Übe­sit­zung wei­ter ein­ge­schleift wer­den. Die so ent­stan­de­ne Stra­ße im Gehirn wird immer wei­ter ausgebaut. 

Wenn dann ein Vor­spiel ansteht und man ver­sucht, das Stück ein paar Mal mög­lichst feh­ler­frei zu spie­len wird es kaum gelingen. 

Man hat schließ­lich Stun­den damit ver­bracht, die „Fehler-Straße” im Gehirn zu pflas­tern und schließ­lich fährt das Gehirn die­se auto­ma­tisch ent­lang. Nun will man aber plötz­lich woan­ders abbie­gen — es exis­tiert aber gar kei­ne „fehlerfrei-Straße”. Auf den letz­ten Drü­cker ist da nicht mehr viel zu machen. 

Die ein­zi­ge Lösung ist wie­der­um das Stück neu ein­zu­üben, sich neu zu kon­di­tio­nie­ren, neue Stra­ßen anzu­le­gen — Note für Note. 

Wir sehen — es mag auf den ers­ten Blick die schnells­te Metho­de sein, das Stück von Anfang an mit bei­den Hän­den und mög­lichst schnell zu üben — am Ende kann das aber ein gro­ßer Stol­per­stein sein, den wir nach und nach abtra­gen müssen.

Schlechte Angewohnheiten an der Wurzel auslöschen

Fle­xi­ble, anpas­sungs­fä­hi­ge Fin­ger sind die Vor­aus­set­zung dafür, dass du wäh­rend dem Spiel unter ande­rem feins­te dyna­mi­sche Anpas­sun­gen vor­neh­men kannst. 

Das Ver­mei­den von Feh­lern beim Üben garan­tiert zudem feh­ler­frei­es Vor­spie­len und ver­kürzt die Übezeit. 

Wir haben für dich in 5 Punk­ten zusam­meng­stellt, wie du dei­ne Fin­ger in einem opti­ma­len Bereit­schafts­zu­stand hältst und von Anfang an kei­ne Feh­ler einübst:

So geht’s

1.Lang­sam üben — wenn du denkst, du übst lang­sam: übe noch langsamer.

2.Lei­se üben — lei­ses Üben ver­hin­dert mus­ku­kä­re Ver­span­nun­gen, bil­det also die Grund­la­ge für ein höhe­res tech­ni­sches Niveau. Es hilft auch dabei, Stel­len im Stück, bei denen man ver­krampft, wie­der aufzulockern.

3.Übe mit getrenn­ten Hän­den. Nur wenn jede Hand ein­zeln ihren Part kennt, kön­nen sie es auch zusam­men spielen.

4.Üben mit Metro­nom. Nur wenn du weißt, wie der Rhyth­mus rich­tig geht, kannst du beim Spie­len bewusst vom Tem­po abwei­chen (Ago­gik) ohne dass es unge­ra­de und unmu­si­ka­lisch klingt.

5.Üben mit Zie­len. Kein „blin­des” Durch­spie­len mehr: Dei­ne unge­teil­te Auf­merk­sam­keit gilt dem Stück. Inten­si­ves, auf­merk­sa­mes üben bedeu­tet weni­ger Übe­zeit und ein bes­se­res Ergebnis.

Wenn Gedan­ken abschwei­fen, sich die­se bewusst machen, nicht dar­über auf­re­gen und even­tu­ell auf­schrei­ben. Um stö­ren­de Gedan­ken beim Spie­len gar nicht erst auf­kom­men zu las­sen, haben wir hier eini­ge Tipps zusammengestellt.

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  • Margarita Gross | PianoTube
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Quellen

  1. Fol­des, Andor: Wege zum Kla­vier, 1963, S.28. []
  2. Neu­ro­di­dak­tik: Ler­nen muss Spaß machen! auf­ge­ru­fen am 09.02.2014 und Hüt­her, Gerald: Begeis­te­rung ist Doping für Geist und Hirn, auf­ge­ru­fen am 05.03.2015. []

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